Liebe Leserschaft, heute möchte ich euch wieder aus meiner Lebensgeschichte erzählen. Es ist der Teil 2 von meinen Erinnerungen rund um den Bahnhof Bern.
Oben im Bild ist die Dachterrasse genannt " Grosse Schanze ". So hat sie in den siebziger und achtziger Jahren ausgeschaut und wie ich sie als junge Frau erlebt habe.
Die Fotos in diesem Post stammen aus den vielen Bücher, die ich in Bücherantiquariaten und in Brockenhäuser gefunden habe. Oft dienten mir diese Bücher als Vorlage für meine Malerei.
Ebenfalls in dieser Zeitepoche, sah das Areal des Bahnhofs Bern so aus. Wie dieses Foto bewerkstelligt wurde ohne Autoverkehr, ist mir ein Rätsel. Das brummte Tag und Nacht mit dem Verkehr. Als mir jeweils der Fahrlehrer sagte: " So, junge Frau, wir fahren noch um den Bahnhof " ouuu....da bekam ich akutes Herzrasen und begann zu schwitzen. Aber auch der Fahrlehrer wurde leicht nervös....Er betete wohl heimlich und ich fluchte heimlich....aber das Auto blieb heil.
Auch mein Vater hat seinen " unanständigen Wortschatz " gebraucht, das Fenster runtergekurbelt und wild herumgefuchtelt. Er war nämlich ein paar Jahre am Bahnhof ein " Täxeler " ( Taxifahrer ) da war ich noch ein Schulmädchen. Die Taxis standen seitlich gegenüber des Bollwerks. Das war zu Stosszeiten tatsächlich eine Nervensache, in den Verkehr " einzufädeln " und dann noch auf die richtige Spur zu kommen. Zumal wenn Vater ab und zu die Berner Aristokratin, Madame de Meuron ins Schloss Rümligen führen musste. Da hiess es dann bald mal:
"Schofför, für Öiri Fahrwys mues ig Euch de vom Trinkgäld abzieh"
(Chauffeur, für Ihre Fahrweise muss ich Ihnen das Trinkgeld kürzen.)
Das Trinkgeld waren 20 Rappen. Vater hat grosszügig verzichtet und einmal hat er dieser Dame das " Zwänzgi " ( 20 Rappen ) an den Kopf geschmissen...ha...ha, das waren noch Zeiten.
Das grosse Gebäude links im Foto war das " Burgerspital " zu dieser Zeit war es für die Bernburger ein Senioren und Pflegeheim. Da hatte ich später als Podologin auch meine paar Kunden und Kundinnen, die mir spannende Sachen von der Stadt Bern erzählten. Jedes Jahr gab es im Innenhof einen Basar. Preiswert konnte man die schönsten Sachen der " feinen Gesellschaft " kaufen. Klar war ich dabei, der Einsatz war jeweils 50 Franken. Auch ein Stand mit den schönsten Pelzmäntel war da. Da war das Tierschutzgesetz noch lockerer und die Versuchung war gross wie ein Filmstar auszusehen 😉
So schlüpfte ich denn in einen traumhaft schönen dunkelbraunen Persermantel mit einem Nerzkragen. Da erklang hinter mir eine Stimme: " Fräulein, diesen Mantel müssen Sie kaufen, der steht Ihnen ausgezeichnet." Tatsächlich, er sass auf den Centimeter...." Was würde er den kosten, ich habe nur 50 Franken bei mir"
Die Verkaufsdame antwortete:
"der kostet 45 Franken" Ich sah Sie ungläubig an, gab die Note, nahm das Retourgeld, sagte, Sie brauchen ihn nicht einzupacken und "was gisch was hesch" (eilig) machte ich mich vom Acker, bevor die sich den Preis nochmal überlegte. 😄
Auch dieses Restaurant war damals legendär. Nicht nur wegen dem guten Essen und den Eisbecher. Nein, wenn wir uns verabredeten sagten wir nur:
" Am vieri bi de Pilze " ( Um 16 Uhr bei den Pilzen ) Da wusste halb Bern was gemeint war. Auch das Bahnhofbuffet war viele Jahre eine Top Adresse für feines Essen und gepflegten Service. Noch während meiner Schulzeit war in der grossen Bahnhofhalle eine grosse Gepäck Annahme, Gepäckträger mit Schürze und Mütze, die brachten das Reisegepäck bis zum Bahnwagon. Für die Billetts waren Schalter mit nettem und geduldigem Personal. Ein grosser Kiosk, Bistros, Blumenladen und ein kleiner Coiffeursalon für Herren. Der wurde von einem Italiener geführt, der sein Handwerk verstand. Da war mein Vater jahrelang Kunde. Nicht zu vergessen die vielen Telefonkabinen, die in einer Reihe standen. Da hat man schonmal an die Glastüre geklopft, auf die Uhr gezeigt, eine Grimasse gemacht, wenn die Person mit ihrem Palaver nicht zum Ende kam...
Auch diese Eisenplastik vom bekannten Berner Künstler " Housi Knecht " gab zu reden. Anlässlich der 800 Jahr Feier des Kantons und der Stadt Bern, präsentierte der Künstler in der ganzen Stadt eine Bären - Ausstellung mit seinen Kunstobjekten. Einer der Bären war gegenüber des Bahnhofs und hatte den Titel:
" Unterwegs - Bär ". Das Pikante an dieser Skulptur war das Geschlechtsteil vom Bär, das " Schnäbi " hi...hi...😜 Das gab einige Zeitungsartikel diesbezüglich.
Auch sonst gab der Bahnhof immer wieder Anlass zu Diskussionen. Die 68 iger Jahre gingen nicht an Bern vorbei. Die Szene der Aussteiger, Randständigen, Rocker, Drogen - und Alkoholabhängigen wurde immer grösser und wo hält sich diese " Kundschaft " auf...na klar, im und rund um den Bahnhof. Das Alki und Drogenstübli ( Lokal ) sowie die Notschlafstelle waren nicht weit vom Bahnhof, die Kuriere empfangen ihre " heisse Ware " am Bahnhof...
Und die legendäre Reithalle...ein Kunstobjekt oder Schandfleck ???!!!... ( Bis zum heutigen Tag ein Fass ohne Boden was die Finanzen angeht ) ist nicht weit vom Bahnhof. Die Kriminalität nahm zu, die Verunreinigung nahm zu, die Bettler aus der ganzen Welt nahmen zu, der Unmut der Gewerbebetreibenden und der Reisenden nahm zu und die Polizei und Sicherheitsdienste mussten aufgerüstet werden. Im Bundeshaus flogen die Fetzen bei den Debatten...
Nun liebe Leser und Leserinnen, diese Erinnerungen sind bis 60 Jahre zurück. Auch heute bin ich regelmäßig im Bahnhof Bern, wenn ich meine Mam ( Mutter ) besuchen gehe. Es wurde und wird noch viel an diesem Bahnhof gebaut und modernisiert. Die Menschheit wächst und will mobil sein. Das ist für jede Stadt eine Herausforderung. Aber die Vertrautheit und die Faszination für " meinen Bahnhof Bern " ist geblieben. Mir gefällt der Bahnhof wie er ist, aber ich bin überzeugt, die Umgestaltung wird eine tolle Sache...
Jedoch eines gibt mir zu denken, wenn ich beobachtend auf meine Bahn warte, es zeigt uns, dass sich die Geschichte wiederholt und wiederholt...Die Drogen und die Alkoholabhängigen nehmen zu...die Kriminalität nimmt zu...die Bettler nehmen zu...die Bevölkerung nimmt im Schnellzugtempo zu, sie ist kunterbunt. Na ja, das erübrigt uns Ur - Schweizer das verreisen. Wir haben ja die ganze Welt hier !!! Die Verunreinigung nimmt zu...die Unsicherheit, der Stress und die Aggression unter den Reisenden nimmt zu...der Unmut der Reisenden und der Gewerbebetreiber nimmt zu...das einzige was abnimmt ist der Platz in den Bahnen !!! ich meine, da läuft doch mächtig was schief in unserer Gesellschaft !!!???